Traumjob
appatoon, Mittwoch, 26. Juli 2006, 01:52
Die Absage der Firma XYZ erreichte mich heute per email im Urlaub in einem idyllischen fränkischen Biergarten, als ich mich gerade entschlossen hatte, meine kurze Absage an die Firma zu formulieren.
Rückblende: Vorletzte Woche Einladung zu Bewerbungsgespräch. Die WM liess keine passenderen Termin zu. 130 km Anfahrt zum Firmensitz. Über 30 Grad. Mein in die Jahre gekommener Wagen hat die gleichen Probleme wie ich. Er schwitzt und hat keine Klimaanlage. Das rote Flackern der Signallampe erlischt nur durch Aufdrehen der Heizung bei Stufe 4 und zwingt mich mit geöffnetem Fenster zu fahren. Leider kann ich dabei nicht beide Arme aus dem Fenster halten. Nebenbei verfluche ich die Krawatte, die die letzten Hemdöffnungen hermetisch verschliesst. Kleiner-Chef und Ober-Chef lassen mich nach meiner Ankunft 20 Minuten warten. Kurze Begrüßungsfloskeln. Ober-Chef beginnt einen 30 minütigen schleimigen Monolog über die Firma mit allem pi-pa-po. Kleiner-Chef meldet sich zu Wort und erklärt mir noch schleimiger, daß ein würdiger Nachfolger für seine tolle Position in der Firma gesucht wird. Ober-Chef und Kleiner-Chef diskutieren weitere 10 Minuten und sind sich plötzlich selbst nicht mehr sicher, ob das definierte Job-Profil hinsichtlich "neuer" bisher nicht erschlossener (d.h. schwer erreichbarer, sturer und altbackener) Zielgruppen und der Aufgabenverteilung so noch stimmt. Kleiner-Chef: "Zur Aufgabenverteilung würde ich sagen: 55% ABC, 25 % DEF und äh....." Großer Chef: "ABC mindestens 70% und äh..20% blabla - das sollten wir aber gerne nachher diskutieren..." Ich merke, daß ich jetzt gerne aufstehen und gehen will, befürchte aber, daß die beiden das gar nicht bemerken würden. Seltsamerweise freue ich mich auf die übliche Salve der langweiligen Standardfragen mit ebenso fragwürdigem Hintergrund. Der erneut auffflammende Exkurs zur ABC, DEF usw.- Aufgabenverteilung gibt mir allerdings den Rest. Ich will jetzt wirklich gehen. Die Frage nach einem Umzug nach Kleinprofithausen an der Reibach (abweichend vom garantierten Homeoffice) beantworte ich daher mit einem kurzen "Nein" ohne Begründung und erhöhe auch noch schnell meine Gehaltsvorstellung um 50%. Ich warte noch auf das Schlußritual der mir zugestandenen Fragen an die tolle Firma und frage den Kleinen-Chef abschließend, warum die "neuen" Zielgruppen bisher noch nicht angegangen wurden, wo die doch gar nicht so "neu" seien... "Äh...das wäre dann Ihr Aufgabengebiet", lautete seine Antwort. Nach meinem "Aha!" fällt dem Ober-Chef die abtriftende Situation auf und er bietet mir jetzt nach fast anderthalb Stunden das erste Glas Wasser an. Ich lehne ab, obwohl ich es gerne mir oder besser ihm in den Hemdkragen oder sonstwohin kippen möchte. Wir lassen unsere nassen Hände nochmal unwillig flutschen und das wars.
Rückblende: Vorletzte Woche Einladung zu Bewerbungsgespräch. Die WM liess keine passenderen Termin zu. 130 km Anfahrt zum Firmensitz. Über 30 Grad. Mein in die Jahre gekommener Wagen hat die gleichen Probleme wie ich. Er schwitzt und hat keine Klimaanlage. Das rote Flackern der Signallampe erlischt nur durch Aufdrehen der Heizung bei Stufe 4 und zwingt mich mit geöffnetem Fenster zu fahren. Leider kann ich dabei nicht beide Arme aus dem Fenster halten. Nebenbei verfluche ich die Krawatte, die die letzten Hemdöffnungen hermetisch verschliesst. Kleiner-Chef und Ober-Chef lassen mich nach meiner Ankunft 20 Minuten warten. Kurze Begrüßungsfloskeln. Ober-Chef beginnt einen 30 minütigen schleimigen Monolog über die Firma mit allem pi-pa-po. Kleiner-Chef meldet sich zu Wort und erklärt mir noch schleimiger, daß ein würdiger Nachfolger für seine tolle Position in der Firma gesucht wird. Ober-Chef und Kleiner-Chef diskutieren weitere 10 Minuten und sind sich plötzlich selbst nicht mehr sicher, ob das definierte Job-Profil hinsichtlich "neuer" bisher nicht erschlossener (d.h. schwer erreichbarer, sturer und altbackener) Zielgruppen und der Aufgabenverteilung so noch stimmt. Kleiner-Chef: "Zur Aufgabenverteilung würde ich sagen: 55% ABC, 25 % DEF und äh....." Großer Chef: "ABC mindestens 70% und äh..20% blabla - das sollten wir aber gerne nachher diskutieren..." Ich merke, daß ich jetzt gerne aufstehen und gehen will, befürchte aber, daß die beiden das gar nicht bemerken würden. Seltsamerweise freue ich mich auf die übliche Salve der langweiligen Standardfragen mit ebenso fragwürdigem Hintergrund. Der erneut auffflammende Exkurs zur ABC, DEF usw.- Aufgabenverteilung gibt mir allerdings den Rest. Ich will jetzt wirklich gehen. Die Frage nach einem Umzug nach Kleinprofithausen an der Reibach (abweichend vom garantierten Homeoffice) beantworte ich daher mit einem kurzen "Nein" ohne Begründung und erhöhe auch noch schnell meine Gehaltsvorstellung um 50%. Ich warte noch auf das Schlußritual der mir zugestandenen Fragen an die tolle Firma und frage den Kleinen-Chef abschließend, warum die "neuen" Zielgruppen bisher noch nicht angegangen wurden, wo die doch gar nicht so "neu" seien... "Äh...das wäre dann Ihr Aufgabengebiet", lautete seine Antwort. Nach meinem "Aha!" fällt dem Ober-Chef die abtriftende Situation auf und er bietet mir jetzt nach fast anderthalb Stunden das erste Glas Wasser an. Ich lehne ab, obwohl ich es gerne mir oder besser ihm in den Hemdkragen oder sonstwohin kippen möchte. Wir lassen unsere nassen Hände nochmal unwillig flutschen und das wars.
ht82,
Mittwoch, 26. Juli 2006, 02:43
Es geht doch nix über Leute, die wissen was sie wollen...
appatoon,
Dienstag, 1. August 2006, 15:57
Na ich weiß auch nicht so recht...
Bei manchen Bewerbungsgesprächen werden solche Situationen bewusst konstruiert, um die Konfliktfähigkeit und Belastbarkeit des Bewerbers zu testen. Vielleicht hätte ich doch besser das Glas Wasser am Ende des Gesprächs nicht abgelehnt und dem Ober-Chef im Zeitlupentempo sonstwohin gekippt? Als Beweis für Entscheidungsfreudigkeit, spontanes Denken und kreatives Meistern kritischer Situationen. Applaus. In jedem Fall habe ich jetzt daraus gelernt, zu Beginn eines Gesprächs aus den Augenwinkeln heraus den Raum immer nach Kameras zu untersuchen und danach dezent unter den Tisch zu schauen, ob da nicht vielleicht doch eine Souffleuse rumkriecht. Auch auf die Gefahr hin, daß sich daraus eine Paranoia entwickeln könnte. Sicher ist sicher.
Bei manchen Bewerbungsgesprächen werden solche Situationen bewusst konstruiert, um die Konfliktfähigkeit und Belastbarkeit des Bewerbers zu testen. Vielleicht hätte ich doch besser das Glas Wasser am Ende des Gesprächs nicht abgelehnt und dem Ober-Chef im Zeitlupentempo sonstwohin gekippt? Als Beweis für Entscheidungsfreudigkeit, spontanes Denken und kreatives Meistern kritischer Situationen. Applaus. In jedem Fall habe ich jetzt daraus gelernt, zu Beginn eines Gesprächs aus den Augenwinkeln heraus den Raum immer nach Kameras zu untersuchen und danach dezent unter den Tisch zu schauen, ob da nicht vielleicht doch eine Souffleuse rumkriecht. Auch auf die Gefahr hin, daß sich daraus eine Paranoia entwickeln könnte. Sicher ist sicher.