Von Schrauben und anderem Kleinkram
appatoon, Sonntag, 21. Mai 2006, 01:51
Ich bin getroffen und betroffen! Im Café sitzend und denselben schlürfend schlage ich die örtliche Tageszeitung auf, die ich allerdings nur Samstags lese. (Nur Samstags, da fast in jeder Ausgabe mindestens 1x das lächelnde Gesicht des Oberbürgermeisters abgebildet ist – zuviel des Guten für meinen Geschmack...)
Sofort beim Lokalteil beginnend und die grosse Weltpolitik überblätternd muss ich lesen, dass schon wieder ein Geschäft mitten in der Fussgängerzone die Grätsche macht. Genauer gesagt ein „Einzelhandelsgeschäft für Glas, Porzellan, Hausrat und Eisenwaren“. Wie das schon klingt – Hausrat, Eisenwaren... „C'est la vie“ wird man hören oder vielleicht: „Das ist halt der Lauf der Zeit“. Aber es ist schon wieder ein kleines Stückchen Identität der Stadt, die verloren geht. Nach der Gründung im Jahre 1868, zwei überstandenen Weltkriegen und einigen wirtschaftlichen Problemen ist eben nun Schluß – Ende und Aus!
Als kleiner Junge war ich zuerst nicht unbedingt ein Freund dieses Geschäfts. Ich wollte eigentlich lieber zum Spielwarenladen nebenan, war dann aber (nachdem mich mein Vater dort hingeschleppt hatte) doch schliesslich angetan von den vielen tollen Maschinen, den Dichtungsringen, die man noch an einem Nagel hängend kaufen konnte und den Kästen voll mit Schrauben, in denen man so schön 'rumwühlen konnte (...wie das Jungs eben so machen...) und die auch einzeln verkauft wurden.
Tja – die Schrauben kann man auch heute noch einzeln kaufen – macht aber keiner mehr. Besorgt um die Situation des Einzelhandels zeigt sich der Oberbürgermeister mal in der Lokalzeitung, mal im Regionalfernsehen....aber was lese ich hier...wo ist er morgen? Anstich Maibockfest und Eröffnung Schützenfest. Und nächste Woche die Eröffnung der Modeschau im mehrstöckigen Kauf-Palast nebenan.
Das Geschäft für Hausrat und Eisenwaren wird bald vergessen sein. Der neue Mieter wird sicherlich mehr Zuspruch beim Kunden finden. Vielleicht ein Handyshop? Ein Restpostenladen auf „Geiz ist geilen“ 2 Etagen? Kein Ahnung – ich möcht's gar nicht wissen. Ich trinke meinen Kaffee aus und gehe.