appatoon, Mittwoch, 1. Oktober 2008, 21:16
Und dann treffe ich weit weg von Zuhause unerwartet meinen Ex-Ex-Ex-Chef bei einer Abendveranstaltung am Buffet zwischen Lasagne und Chinapfanne. Stimmt nicht ganz. Eigentlich trifft er mich, spricht mich von der Seite an, stört meine Gedanken, meine kleinen egoistischen Gedanken, meine verdiente Ruhe nach einem durch und durch langweiligen Scheißtag. "Wir kennen uns doch, ach nee, lassen’se mich mal überlegen…helfen’se mir doch mal auf die Sprünge." Er kann mich nicht einordnen, erinnert sich angestrengt. Er ist so weit weg. Von mir. Von sich selbst. Spult sein "Schön – kommen Sie uns doch mal besuchen. Man weiß ja nie. Gemeinsame zukünftige Projekte. Synergien-Programm" ab. Meint er mich? Ich bin nicht wirklich bei mir, als er nicht aufhört, mich mit einem Strom aus Worten zuzulabern. Bin ruhig. Stehe neben mir, sehe die Szenerie von oben. Weitwinkel. Wie bei denen, die behaupten, für immer gegangen zu sein um dann doch zurückzukommen und mit aufgerissenen Augen Geschichten vom hellen Licht zu erzählen. Schwebe wie bei einem Köpper vom 10 Meter Turm und die Krawatte fällt mir kopfüber ins Gesicht. Tagtraum. Bin stumm, kann und will nicht anders, wende mich ab und signalisiere mit einem Kopfnicken hinter die Theke meine Entscheidung für die Chinapfanne. Er redet weiter auf mich ein, wertet mein Schweigen als Zustimmung. Immer dran bleiben. Nicht aufgeben. Irgendwas geht immer. Jeder Mensch ist irgendwo zu packen. Los, los, los. Groß geworden mit großen Sprüchen und mit dem Wachsen der Firma schwanden schleichend Menschlichkeit, Toleranz und der Frieden kam. Sein Frieden. Grinsend der Belegschaft vor dem Börsengang Aktienoptionen auf Kredit empfehlen. Was für ein verantwortungsloses Schwein. Ich hakte nach. Einmal zuviel. Jetzt hakt er nach. So kenne ich ihn. "Wir haben uns auf dem bla bla Kongress gesehen? Nicht wahr?" Man muss mit den Dingen abschließen können, seinen Seelenfrieden finden. Es gibt keinen anderen Weg. Aber wenn sich jetzt diese Gelegenheit ergibt, bin ich nur ich, bin an der Reihe, nehme mir mein Recht, verspüre fast Lust dabei, beuge mich hinunter ganz nah an sein Ohr und spreche betont deutlich gegen das umgebende Gemurmel an: "Arbeitsgericht. Wir sahen uns zuletzt beim Arbeitsgericht." Und mehr gibt es nicht zu sagen. War so auch nicht geplant. Kein Nachdenken. Keine Genugtuung. Kein Nachbeben. Ruhe. Ich bin mir plötzlich näher als ich dachte. Das Ferne entfernt sich noch mehr und stirbt. So fühlt sich das also an. Unerwartet. Eine ehrliche Ruhe bei Dessert und Feuerzauber.
Permalink (Niemand hat sich Zeit genommen) Ein zeitloser Kommentar?