Montag, 26. Juni 2006
Das zweite ich
appatoon, Montag, 26. Juni 2006, 19:11
Sonntags am späten Nachmittag befand ich mich mit der Vespa auf dem Rückweg nach Hause. Es war nicht viel los auf der Schwarzwaldhochstrasse. Ab und zu überholten mich nur einige Motorrad-Boliden, die wie immer ihre Geschwindigkeits-Bestleistung vom letzten Wochenende noch verbessern wollten. Das Schicksal meinte es heute aber gut mit mir: alle Holländer saßen anscheinend schon in ihren Wohnwagen und bereiteten sich auf ihr Ausscheiden bei der WM vor. Innerhalb von 20 Minuten verdunkelte sich der Himmel und kurz danach schien die Welt nicht nur für die Holländer unterzugehen. Der Regen perlte von der Motorradjacke ab und nahm seinen Weg zu meinen Jeans, die innerhalb von Sekunden einen mir bis dahin unbekannten satten Blauton annahm. Ein schöneres Ende als vom Blitz erschlagen zu werden, in den Wipfeln einer Tanne zu enden oder auf der Strasse zu ertrinken konnte ich mir allemal vorstellen. Es ging einfach nicht mehr. Nach einigen Kilometern bog ich ab zur ersten Gaststätte, die ich erkennen konnte. Im Hinterhof stellte ich das Fahrzeug ans Ende der Reihe der Harleys, deren Motoren im strömenden Regen langsam auskühlten und knackende Geräusche von sich gaben. Ein unwirklicher Moment: ich öffnete die Tür und hatte für Sekunden das Gefühl, in einen Saloon zu treten. Eine Wassertröpfchenspur hinterlassend steuerte ich auf einen freien Tisch zu. Mit den Harleyfahrern am Nebentisch kam ich sehr schnell ins Gespräch: Wohin? Nach B-Hausen? Aha! Route A nach B und der Abstecher nach C? Ah ja – wir auch! Maschine? Vespa. Ah ja! Entgegen meiner Befürchtungen hatten sie mich trotz meines (in ihren Augen) untermotorisierten Gefährts nicht angewidert abgewendet. Besonders B. zeigte sich interessiert und fragte nach meinen Erfahrungen mit der Vespa und gestand mir, sogar Vespafahrer auf der Strasse durch Handzeichen zu grüßen. Der Regen war vobei und das Blau meiner Jeans hellte sich teilweise wieder auf. Die Harleyfahrer nahmen ihr Minimalgepäck und steuerten auf die Ausgangstür zu. Kurz vor der Tür drehte sich B. nochmal um, kam an meinen Tisch und setzte sich kurz neben mich, während hinter den anderen die Tür zuschlug. Er lächelte mir zu. "Äähm....ich hab' übrigens auch 'ne rote Vespa. Die Touren mit den Jungs alle paar Wochen 'halt mit der Harley und unter der Woche zur Arbeit in der Stadt mit dem Roller. Macht unheimlich Spaß. Aber...das bleibt jetzt unter uns!" "Na klar - ich werd's schon keinem erzählen!" erwidere ich lachend, wünsche ihm beim Herausgehen noch eine gute Fahrt und greife in meine Gepäckrolle, um das Notizbuch herauszusuchen.

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