Tankstellen (Teil 1)
appatoon, Samstag, 3. Juni 2006, 15:04
Die mächtigen weißen Cumulus-Wolken im Osten bekommen heute keine Chance gegen das tiefe Blau. Dieser erste Eindruck heute Morgen lässt mich kurz innehalten und verursacht dann ein kurzes Schmunzeln. Habe ich doch die Assoziation von Wolken und Kühen zweifellos dem übermäßigen Bloglesen der letzten Wochen zu verdanken. In der Ausfahrt der Tiefgarage kommt mir Herr (Rentner) V. auf seinem Fahrrad entgegen. Herrn V. kenne ich übrigens nur mit einer Zigarette im Mundwinkel. Zu jeder Tageszeit mit Fluppe in der Flappe. Seinen Handgruß und sein Gemurmel interpretiere ich kurzerhand als ein freundliches "Moin". Er lächelt und seine Zigarette biegt sich dabei nach oben. Mein Lachen unter dem Motorradhelm kann er sowieso nicht sehen und daher erspare ich mir das. Die Taube an der ersten Kreuzung hat Grün, legt aber darauf anscheinend keinen Wert und läuft zurück Richtung Verkehrsinselgrün. Es ist früh und die Strassen strahlen noch etwas die Kälte der Nacht ab und der Fahrtwind riecht nach feuchtem Laub. Ich passiere den Bahnhof mit dem riesigen Vorplatz, dessen Planung drei Jahre in Anspruch nahm. Nach fünf Vorschlägen zur pfiffigen Gestaltung des Platzes entschied man sich, den ankommenden Besuchern die "Offenheit" der Stadt sprichwörtlich vor Augen zu führen. Eine planerische Höchstleistung, dieses 50 Meter gepflasterte Schußfeld. Aus den Augenwinkeln erkenne ich in der Mitte des Platzes eine verlorene Oase von Rentnern mit Spazierstock und Rucksack auf den Weg in den nahen Schwarzwald, die sich gerade Richtung Strassenbahnhaltestelle in Bewegung setzt. Die Wüste lebt. Auf Grund der 30er Tempobegrenzung halte ich mich mit diesen Gedanken viel zu lange auf. Vorbei am Zoo, der je nach Windrichtung mit seinen eindeutig werbenden Broadcast-Düften längst vergangene Zoobesuche in Erinnerung ruft und auch schon einige neue Opfer gefunden hat, die in 30 Jahren wiederum diesen Duft mit Erinnerungen in Verbindung bringen werden. Diese Automatismen lauern wie Hyänen im Dunkel der Gehirnfalten. Funktionieren sie doch unter anderem bei mir beim Geruch geöffneter Star-Wars-Sammelbildchenpackungen, dem Geruch eines Metallbaukastens, dem schweren Duft halbverbrannten Öls von Zweitaktern bei Besuchen in der Zone, dem Plastikgeruch der Barbiepuppen meiner Schwester und bei Waldmeistersirup. Aber heute Morgen riecht es an dieser roten Ampel hier einfach nur nach Kamelscheisse.
Permalink (5 haben sich Zeit genommen) Ein zeitloser Kommentar?